Klimaforschung

Geo-Engineerung gegen die Erderwärmung?

Ist das Klima noch zu retten?

Dass das Klima sich immer stärker und immer schneller erwärmt und in der Folge die Polkappen schmelzen, immer verheerendere Naturkatastrophen auftreten und gleichzeitig kohlenstoffreiche Ökosysteme wie Moore, Feuchtgebiete und tropische Wälder zerstört werden, die die Erwärmung verlangsamen könnten, ist mittlerweile eigentlich ein alter Hut. Verstummt sind die Stimmen derer, die sich in Pack-die-Badehose-aus-Manier über wärmere Temperaturen im Sommer freuen. Es ist allerdings überhaupt still geworden um den Klimaschutz, zumindest in der breiten Bevölkerung.

Nach einer Reihe sich schier überschlagender Horrormeldungen, insbesondere von Seiten der Boulevardzeitschriften, ist das allgemeine Interesse erschlafft, und man wendet sich aktuelleren Schreckensszenarien zu: Pandemien durch Vögel- oder Schweinegrippe, Massenarbeitslosigkeit und der Zusammenbruch der Weltwirtschaft. Wir sind Klimaschutz – gewesen?

Wie PD Dr. habil. Harald Kehl im Rahmen der Tagung "Natur unter Druck - Kooperative Wege für den Naturschutz, vom Landschaftsverbrauch zum Landschaftsgebrauch" schon 2000 mahnte, so wird häufig „durch unabgesicherte Katastrophenmeldungen […] das Gegenteil erreicht, nämlich eine Abstumpfung der Öffentlichkeit gegenüber real existierenden Umweltproblemen“.

Die Menschheit ist der Schreckensmeldungen über die Klimaerwärmung überdrüssig geworden; nächstes Thema, bitte! Da helfen auch Kampagnen und anklagende „Schockerfotos“ wie das des in Badekleidung auf einem Gletscher ruhenden Klimaschützerpärchen nichts – besonders, da Stimmen aus dem Gegenlager immer lauter werden, die das Ganze als „Ökodiktatur“ abtun. Warnende Wissenschaftler wollten sich lediglich profilieren, steuerten die Menschheit aus Machtgründen gezielt in eine Klimahysterie.

Da horcht der bequeme Teil der Menschheit gerne auf; besonders, da die kritischen Stimmen eine ebenso saubere wie einfache Lösung zu präsentieren scheinen. Geo-Engineering heißt das Schlagwort, das besonders die Herzen der recycleresistenten Nordamerikaner erwärmt. Mittels ausgefeilter Techniken und Projekte soll das Klima von Menschenhand gesteuert werden – momentan also die Temperaturen gesenkt werden.

Ist Geo-Engineering die Lösung im Kampf um ein kühleres Klima?

Ein Lösungsvorschlag, der von Obamas wissenschaftlichem Berater John Holdren befürwortet wird, stammt vom niederländischen Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen: Schwefelstaub. Millionen Tonnen Sulfat-Aerosole sollen Jahr für Jahr in die obere Atmosphäre geschossen werden, um die Erde vor den immer stärkeren Sonnenstrahlen abzuschirmen. Pate für die Idee stand der Vulkanausbruch des indonesischen Vulkans Pinatubo, bei dem Millionen Tonnen Sulfate in die Atmosphäre gelangten und zu einer deutlichen Abkühlung führten. Deutsche und US-amerikanische Atmosphärenforscher wiesen jedoch in einer Studie nach, dass dadurch lediglich die Temperatur gesenkt würde (und auch nur, wenn dauerhaft Schwefelstaub hinaufgeschossen würde), während weiterhin die CO-Konzentration durch Treibhausgase anstiege, die Ozeane versauerten und sich durch den Schwund von Korallenriffen das Ökosystem Meer drastisch veränderte. Zudem würde die ohnehin schon angegriffene Ozonschicht über den Polen weiter geschädigt, wie der Jülicher Forscher Rolf Müller und seine Kollegen in einer Simulation feststellten: durch das chemisch veränderte stratosphärische Chlor könnten zwischen einem Drittel und der Hälfte der Ozonschicht über der Arktis zerstört werden. Außerdem sei ein möglicher zusätzlicher größerer Vulkanausbruch nicht zu verhindern, der eine Überkonzentration von Schwefelstaub verursachen und dadurch den Ozonabbau vorantreiben würde.

Ein anderer Vorschlag stammt noch aus den Anfängen des Raumfahrtzeitalters, als die Russen mit einem künstlichen Spiegelsystem nach Art der Saturnringe liebäugelten, das sonnenarme Regionen wie Sibirien mit mehr Licht und Wärme versorgen sollte. Daran anlehnend schlug US-Astronom Roger Angel eine Art Spiegeljalousie vor, die in anderthalb Millionen Kilometern Entfernung um den Planeten Erde aufgestellt werden und so einen Teil des Sonnenlichts abhalten sollte. Allerdings gibt Realist Angel zu, dass die Kosten des ambitionierten Projekts sich auf „einige Trillionen Dollar“ beliefen – mal ganz abgesehen davon, dass auch damit der CO-Anstieg nicht verhindert würde und das Klima somit instabil bliebe.

Die Idee mit den Spiegeln wollten die Geo-Engineering-Befürworter aber nicht so schnell aufgeben – schließlich könnte auf diese Weise ein Großteil der Sonnenstrahlung abgefangen und ins All zurückgeworfen werden, so dass die Erderwärmung gestoppt würde, oder zumindest weniger rasch vonstatten ginge. Reichlich realitätsfern klingen jedoch die konkreten Vorschläge: der Anbau möglichst heller Getreidesorten, das Aufstellen gigantischer Spiegel in der Wüste.

Was dagegen auf zumindest teilweise Zustimmung von Seiten der Klimaforschungswelt trifft, ist das Konzept des britischen Forschers Stephen Salter von der Universität Edinburgh, der Hunderte unbemannter Roboterschiffen auf große Ozeanfahrt schicken möchte, die feinste Salzwassertröpfchen versprühen. Ziel sei nicht, neue Wolken entstehen zu lassen, sondern die bereits vorhandenen zu verstärken und dadurch die Reflektion von Sonnenlicht zu gewährleisten. Doch auch hier bliebe der menschliche Eingriff nicht ohne Folgen: kühlere Ozeane bringen weniger Regen hervor.

Ein gescheitertes Klimaschutzprojekt, das recht deutlich veranschaulicht, mit welchen unvorhergesehenen Konsequenzen und nicht kalkulierbare Faktoren Geo-Engineering zu kämpfen hat, ist ein Düngungsprojekt der Meere, an dem sich u.a. Forscherteams des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) in Bremerhaven versuchten. Hinter der Idee stecken Forschungserkenntnisse, nach denen mit Eisensulfat angereichertes Plankton verstärkt CO2 bindet. Diese mit dem Klimagift angereicherte Algen, so die Kalkulation der Wissenschaftler, sänken nach dem Absterben auf den Meeresboden und seien somit aus dem Verkehr gezogen. Der Versuch auf einem 300 Quadratkilometer großen Gebiet scheiterte jedoch: Kleinstlebewesen wie Zooplankton fraßen die aufblühenden Algen, diese wurden wiederum von kleinen und dann größeren Krebsen gefressen, und nur ein Bruchteil der Kohlenstoffmenge sank zum Meeresboden herab. Forscher geben zu bedenken, dass der Eingriff in die globale Nahrungskette unvorhersehbare Folgen für das marine Ökosystem hätten. Selbst wenn einige der Folgen zunächst positiv schienen, wie vermehrte Krillzufuhr für Wale, so gelänge der Kohlenstoff durch die Nahrungskette doch wieder in den Kreislauf zurück.

Ein Argument gegen gigantische Düngungsexperimente liefert die Natur selbst: als während der letzten Eiszeit gewaltige Mengen eisenhaltigen Staubs in die Ozeane eindrangen, verringerte sich die CO-Konzentration nur minimal, wie sich an Eisbohrkernen zeigt.

Wissenschaftler wie Stefan Rahmstorf vom renommierten Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) warnen davor, ein so komplexes System wie das Klima von Menschenhand zu regeln. Neben den unvorhersehbaren Nebenwirkungen führten die Eingriffe zu einem fälschlichen Sicherheitsbewusstsein – da sich das Klima ohnehin regulieren lasse, sei eine Verringerung des CO2-Ausstoßes ja nicht notwendig. Befürchtungen, die Kollege Ken Caldeira von der Carnegie Institution of Washington in Stanford teilt. Der gibt zudem zu bedenken, dass sich kaum steuern lasse, welche Regionen der Erde von den möglichen Nebenwirkungen betroffen würden, so dass Konflikte vorprogrammiert seien, die möglicherweise Kriege nach sich zögen.

Es bleibt also spannend. Wie die bisherigen Projekte zeigen, ist eine alle zufriedenstellende Lösung noch fern - allerdings kann es sich die Menschheit auch nicht leisten, die Klimaforschung nicht voranzutreiben. Die Herausforderung der Zukunft liegt also darin, auf allen Fronten gegen das Phänomen der Erderwärmung vorzugehen - was bedeutet, neben Maßnahmen zur Verringerung des CO-Ausstoßes auch die Möglichkeiten der Klimaforschung voll auszuschöpfen. Es gilt, Klimaprozesse und -veränderungen genau zu untersuchen, um durch ein besseres Verständnis der Phänomene schließlich bessere Prävention zu gewährleisten.

HM